Ein kritischer, tiefer Einblick in die Geschichte und Bedeutung der Blasmusik in Tirol.
Tirol hat mehr Musikkapellen als Gemeinden, sie sind tragende Säulen des sozialen Gefüges. Anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Tiroler Blasmusikverband“ gehen die Tiroler Landesmuseen in der Ausstellung „Spielweisen. Was Blasmusik sein kann“ der Frage nach, wann und warum Blasmusik diesen herausragenden Stellenwert erlangt hat und werfen einen tiefen sowie kritischen Blick auf die Geschichte, ihre militärischen Wurzeln und die große Bedeutung, die Blasmusik heute noch in Tirol hat. Die Ausstellung war ursprünglich für das Ferdinandeum geplant, umbaubedingt findet sie nun aber im Tirol Panorama statt – die Ausstellung „Schauplatz Tirol“ wurde dafür umgebaut.
Blasmusik begegnet uns in Tirol auf Schritt und Tritt, bei Festen und Umzügen, im Konzertsaal genauso wie in der Kirche. Viele lieben sie und widmen ihr viel Zeit, manche fühlen sich von ihr genervt: Wie stehe ich dazu? Spiele ich mit und wenn ja, warum? Was ist denn das überhaupt: Blasmusik? „Die vermeintlich uralte Tradition der Blasmusik in Tirol – es gibt hierzulande mehr Musikkapellen als Gemeinden – erweist sich als dynamischer und facettenreicher, als viele glauben. Die spannende Entwicklung der Blasmusik im Wechselspiel mit gesellschaftlichen und politischen Veränderungen steht ebenso im Fokus der Ausstellung wie die vielen Menschen aller Generationen, die sich für sie begeistern und diese Begeisterung lebendig vermitteln“, erklärt Kurator Franz Gratl, Leiter der Musiksammlung des Ferdinandeums. So waren die Anfänge bescheiden und was heute als identitätsstiftend und „typisch tirolerisch“ gilt, hatte Wurzeln, die u. a. in das Osmanische Reich und nach Böhmen führen. In der Musiksammlung des Ferdinandeums finden sich in großer Zahl zumeist bislang unpublizierte, spannende Quellen zur Frühgeschichte und Entwicklung der Blasmusik, zudem Instrumente in großer Zahl. „In der Ausstellung werden aber auch die bis heute konstitutiven militärischen Wurzeln der Blasmusik kritisch beleuchtet und hinterfragt, ebenso ihr Naheverhältnis zu Politik und ihre Vereinnahmung durch totalitäre Systeme“, ergänzt Franz Gratl. Ein Blick in die Gegenwart und Zukunft des Phänomens „Tiroler Blasmusik“ rundet die Schau ab.
Eintritt in die Welt der Blasmusik
Ein gigantischer Schalltrichter bildet den Eingang in die Ausstellung: „Dieser Trichter übt eine Sogwirkung aus und kanalisiert den Besucher*innenstrom in Richtung der Ausstellung. Das steht für die sogartige Wirkung des Phänomens Blasmusik für viele Menschen einerseits und für den Luftstrom, der durch ein Blasinstrument fließt, andererseits“, so Kurator Andreas Holzmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Musiksammlung des Ferdinandeums. Videostationen, Originalobjekte und ein Kaleidoskop von Fotografien, Grafiken, Noten, Plakaten und Programmen bringen den Besucher*innen in der Folge das Thema Blasmusik aus unterschiedlichen Blickwinkeln näher. Thematisch wird u.a. auf die (vermeintlich) uralte Tradition der Blasmusik, auf Trachten, das Instrumentarium, ihre soziale Rolle oder auch die politische Nutzung der Blasmusik im Laufe ihrer Geschichte eingegangen: „Hier wagen wir einen kritischen Blick auf diese ,heilige Kuh‘ des regionalen Selbstverständnisses“, betont Franz Gratl.
Eine interaktive Station am Ende der Ausstellung lädt die Besucher*innen zu ihrer ganz eigenen Auseinandersetzung mit Blasmusik ein. Wie stehen sie zur Blasmusik, sind sie Teil einer Musikkapelle, tragen sie gerne Tracht? „Nach diesen und weiteren Fragen können sich die Besucher*innen positionieren – ein daraus entstehendes Selfie ist zum einen Souvenir, zum anderen spiegelt es die eigene Haltung zur Blasmusik wider“, erklärt Andreas Holzmann.
100 Jahre Blasmusikverband
Ausgangspunkt für die Ausstellung „Spielweisen“ war das 100-Jahr-Jubiläum des Tiroler Blasmusikverbandes, das 2025 begangen wird. So kommt auch der Tiroler Blasmusikverband in der Schau zur Sprache, etwa mit seiner Jugendarbeit, Nachwuchsförderung oder der Organisation des Blasmusikverbandes: „Jubiläen geben Anlass zurückzublicken, sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzten und sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Die Ausstellung bietet reichlich Gelegenheit, sich mit dem Phänomen Blasmusik intensiv auseinanderzusetzen – sowohl für in der Blasmusik Aktive als auch für Außenstehende“, so Elmar Juen, Obmann des Blasmusikverbandes Tirol.
Ausstellungsprogramm
Ein umfangreiches Vermittlungsprogramm begleitet die Ausstellung. So werden Führungen der Kuratoren Franz Gratl und Andreas Holzmann geboten, Kinderführungen, Familienwerkstätten, bei denen „Musikinstrumente selbst gemacht“ im Mittelpunkt stehen, Workshops und Führungen in italienischer Sprache sowie für Gehörlose. Das vollständige Programm bis Jänner 2026 entnehmen Sie bitte dem beiliegenden Folder (im Februar erscheint ein neuer Folder mit den aktualisierten Veranstaltungen).
Publikation zur Ausstellung
Zur Ausstellung ist eine CD mit Buch erschienen. Das Buch bietet einen Rundgang durch die Ausstellung, dazu ausgewählte Musikbeispiele zu über zweihundert Jahren Blasmusik in Tirol. Die Publikation ist erhältlich im Online-Shop der Tiroler Landesmuseen und in den Museumsshops, 18 Euro.