Ein Kooperationsprojekt von Tiroler Landesmuseen und vielen weiteren Kulturinstitutionen lässt Erinnerungen an das ehemalige Lager Oradour wach werden.
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum // 8.9. – 5.11.2023
Gemeinsam gegen das Vergessen: In Zusammenarbeit mit zahlreichen Projektpartner*innen aus Schwaz, Innsbruck und Hall erinnern die Tiroler Landesmuseen an das ehemalige Zwangsarbeits- und Entnazifizierungslager Oradour in Schwaz. Mehrere Ausstellungen sowie ein umfassendes Veranstaltungsprogramm holen den fast verschwundenen Ort zurück in die Köpfe und hinterfragen den Umgang mit Erinnerung und Vergessen im Allgemeinen. Als Debütbeitrag präsentiert ab 8. September eine Installation vor dem Ferdinandeum Fotoarbeiten von Arno Gisinger und Filmstills von Christine Ljubanovic.
In Erinnerung an die ErinnerungAnhand von Ausstellungen, Konzerten, Lesungen, Gesprächen, Führungen und Performances hinterfragt das Projekt „Memories of Memories“ die Geltungskraft von Erinnerungen, kollektiver wie auch individueller. Im Fokus steht dabei das Lager Oradour in Schwaz. Seine Geschichte wurde verschwiegen, verdrängt und vergessen, Zeitzeug*innen gibt es kaum mehr. Was also bleibt?
In enger mehrjähriger Zusammenarbeit haben sich Tiroler Landesmuseen, Klangspuren, Rabalderhaus, Museum der Völker, Kunstraum Schwaz, Toni-Knapp-Haus und Stadtarchiv Schwaz sowie das Institut für Gestaltung, i.sd – Konstruktion und Gestaltung der Universität Innsbruck und das Tiroler Landestheater dieser Fragen angenommen und daraus „Memories of Memories“ entwickelt. Wie der Titel verrät, macht das Projekt Erinnerungen an Erinnerungen sichtbar und tastet nach dem, was verloren scheint. Im Rahmen einzelner Teilprojekte erwartet das Publikum zwischen 8. September 2023 und 28. Jänner 2024 ein reiches und vielfältiges Programm rund um besagtes Lager Oradour.
Das Lager Oradour
Das ehemalige Lager Oradour liegt im Gebiet der Stadt Schwaz in Tirol. Umgeben von Natur erinnert eine einsame Gedenkstele an den Ort, von dem heute kaum mehr jemand weiß, was hier einst geschehen ist: Während der NS-Zeit diente Oradour als Kriegsgefangenenlager, später als Entnazifizierungslager. Ab 1954 wurde es mit armen, wohnungslosen Menschen aus Schwaz besiedelt und bekam den Namen Märzensiedlung. Erst in den 1980er-Jahren wurde es völlig aufgelöst und geriet in Vergessenheit. „Memories of Memories“ jedoch nimmt die Spuren seiner Geschichte wieder auf. Diese reichen weiter, als man meinen könnte, denn seinen Namen teilt sich das Schwazer Lager Oradour mit dem französischen Ort Oradour-sur-Glane. Das Dorf wurde während des Zweiten Weltkriegs von den Nazis beinahe völlig ausgelöscht. Heute zählt es – ganz anders als Oradour in Tirol – zu den bedeutendsten Gedenkorten Frankreichs.
Vor diesem Hintergrund findet auch die Gegenüberstellung der beiden Orte Einzug in „Memories of Memories“ und lässt es zu, die Tragweite von Erinnerung und Vergessen zu reflektieren.
Installation vor dem Ferdinandeum
Neben verschiedenen Veranstaltungsorten in Schwaz verweist in Innsbruck zwischen 8. September und 5. November 2023 eine Installation vor dem Ferdinandeum auf „Memories of Memories“. Mitten im öffentlichen Raum und für alle zugänglich umspannt die netzähnliche Stahlkonstruktion Aufnahmen von Oradour in Schwaz sowie dem französischen Namensgeber Oradour-sur-Glane. Sie stammen von Arno Gisinger, Gaston Paris und Christine Ljubanovic. Arno Gisinger fotografierte die beiden Orte bereits vor 30 Jahren und hielt Oradour in Schwaz kürzlich erneut mit der Kamera fest. Christine Ljubanovic besuchte das Schwazer Oradour als Kind und drehte für „Memories of Memories“ den Film „Wire Mesh“. Er wird im Rabalderhaus in Schwaz gezeigt, während in Innsbruck ausgewählte Stills zu sehen sind. Die Aufnahmen von Gaston Paris wiederum zeigen Oradour-sur-Glane im Jahre 1945. Wer die Konstruktion betritt, kann weitere der Bilder entdecken und aus den verschiedenen Blickwinkeln eine eigene Perspektive knüpfen.
Die Installation wurde von Michaela Feurstein-Prasser in Zusammenarbeit mit Roland Sila, Leiter der Bibliothek des Ferdinandeums, kuratiert. Die Architektur wurde vom i.sd gemeinsam mit Studierenden entworfen und umgesetzt. Zum Rahmenprogramm zählt neben Führungen, Gesprächen und besonderen Angeboten für Schulen auch eine Darbietung des Tiroler Landestheaters in der Installation.
Programm in Schwaz und Hall
Der Großteil des Programms zum Projekt „Memories of Memories“ findet an verschiedenen Orten in Schwaz statt. Sowohl das Rabalderhaus, das Museum der Völker als auch der Kunstraum Schwaz beteiligen sich mit eigenen Ausstellungen, während die Klangspuren hochkarätige Konzertveranstaltungen beisteuern. In Hall präsentiert das Klocker Museum zeitgleich eine Ausstellung zu Künstlerin Christine Ljubanovic.
Das reiche Rahmenprogramm zu allen Teilprojekten finden Interessierte übersichtlich zusammengefasst im Veranstaltungsfolder zu „Memories of Memories“ sowie auf der Website der Tiroler Landesmuseen unter
tiroler-landesmuseen.at/oradour.