24.11.2021 | 9 Bilder 1 Dokument

Erster Alpenrosen-Schmetterling entdeckt

Österreichisch-schweizerisches Forscherteam findet bisher unbekannten Alpenrosen-Minierfalter in den Alpen
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Alpenrosen-Minierfalter (Schweiz, Graubünden, Ardez)

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Forscher der Naturwissenschaftlichen Sammlung der Tiroler Landesmuseen fanden in Zusammenarbeit mit Schweizer Kollegen den Alpenrosen-Minierfalter in Ardez in der Schweiz. Dass die Schmetterlings-art in den Alpen vorkommt, war bis dahin unbekannt. Zudem ist der Alpenrosen-Minierfalter der erste Schmetterling, der sich im Raupenstadium auf die Rostrote Alpenrose spezialisiert hat. Allerdings könn-te die Art auch als eine der ersten dem Klimawandel zum Opfer fallen.

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Kommissar Zufall
Die Entdeckung des Alpenrosen-Minierfalters ist nicht die Folge einer gezielten Suche, sondern ein reiner Glücksfall. Da Alpenrosen für Schmetterlingsraupen unattraktiv sind und bisher aus dem gesamten Al-penraum kein Spezialist an dieser Pflanze bekannt war, galten sie auch für die Schmetterlingsforscher als uninteressant. Als Konsequenz wurde die Pflanze von Forscher*innen weitgehend ignoriert. Im Rahmen einer Erhebung von Schmetterlingen in Ardez (Engadin, Schweiz) am 29. Juli 2021 allerdings wurde in ei-ner bewölkten Phase neben einem Alpenrosenbusch eine Pause eingelegt. „Die rein zufällige Sichtung der ersten Raupe in einem Alpenrosenblatt war ein absoluter Adrenalinstoß, sofort war klar, dass es sich hier um einen außergewöhnliche Art handeln muss“ erklärt Peter Huemer, Schmetterlingsforscher und Leiter des Bereichs Naturwissenschaften der Tiroler Landesmuseen die Fundumstände. Die erweiterte Suche in den folgenden zwei Wochen erbrachte Hinweise auf eine stabile Population eines vorerst völlig ungeklärten Schmetterlings. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Schmetterlingsexperten Jürg Schmid wurden in mehreren Exkursionen zwischen Ende Juli und Mitte August Raupen und Puppen für Doku-mentationszwecke gesucht.

Leben im Blatt

Der Alpenrosen-Minierfalter bohrt sich gleich nach dem Schlüpfen der Raupe durch die obere Blatthaut in das Blattinnere. Die Raupe verbringt dann ihr gesamtes Leben bis zur Verpuppung zwischen den unver-sehrten Blatthäuten und frisst das Blattgrün. Die Fraßspur ist eine sogenannte Blattmine. Durch diese Verhaltensweise ist die Raupe vor schlechter Witterung ebenso gut geschützt wie vor vielen Fressfein-den wie z.B. Vögeln, Spinnen oder anderen Insekten. Die Blattmine beginnt mit einem langen Gang und endet in einem großen platzartigen Minenteil. Der Kot wird innerhalb dieser Mine abgelegt. Zur Verpup-pung verlässt die Raupe das Alpenrosenblatt und fertigt auf der Blattunterseite eines befallenen oder nahegelegenen Blattes ein typisches Gespinst. Mit mehreren feinen Seidenfäden wir eine kunstvolle „Hängematte“ produziert, in der schließlich die Umwandlung zur Puppe erfolgt. Im Labor gelang nach etwa zehn Tagen die erfolgreiche Zucht zum Falter, mit einem frappierenden Ergebnis.

Rätselhaftes Kaltzeitrelikt

Die Falter gehörten völlig überraschend zu einer in Nordeuropa, Nordasien und Nordamerika weit ver-breiteten Art, dem Sumpfporst-Minierfalter (Lyonetia ledi). Die Bestimmung wurde durch Untersuchung morphologischer Merkmale wie Flügelfarbe und Zeichnung sowie durch DNA Abgleich (DNA Barcodes) mit nordeuropäischen Tieren abgesichert. Die Engadiner Population ist jedoch mehr als 400 Kilometer von den nächsten bekannten Fundorten entfernt. Weiteres lebt der Sumpfporst-Minierfalter im nördlichen Europa ausschließlich am Sumpfporst und dem Gagelstrauch. Diese zwei typischen Sträucher von Hoch-mooren fehlen aber in den Alpen. Allerdings teilten sich der Sumpfporst und die Alpenrose in früheren Kältephasen im Alpenvorrand den Lebensraum. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat hier nach der letzten Kaltzeit und dem Abschmelzen der Gletscher ein Übergang der Raupe von Sumpfporst auf die Alpenrose stattgefunden. Die in nachfolgenden Wärmephasen verursachte Auftrennung der Areale beider Pflanzen führte zwangsläufig auch zur Trennung der Falterpopulationen.

Giftige Futterpflanze

Die Rostrote Alpenrose ist auf Grund ihrer Blütenpracht eine der bekanntesten und attraktivsten Pflan-zen, zumindest für den Menschen. Tatsächlich handelt es sich aber um eine hochgradig giftige Pflanze, die daher von Weidetieren streng gemieden wird. Für Insekten ist die Alpenrose höchstens als Nektar-pflanze interessant, Insektenlarven entwickeln sich hingegen nur ganz ausnahmsweise an ihr. Dies gilt auch für Alpenschmetterlinge, die Alpenrosen trotz ihrer weiten Verbreitung weitgehend ungenutzt las-sen. Umso überraschender kommt daher die Entdeckung einer hochgradig spezialisierten Schmetter-lingsart in den Alpen.

Verbreitung und Gefährdung

Der Alpenrosen-Minierfalter ist bisher mit Sicherheit nur aus dem Unterengadin bekannt. Der Lebens-raum ist ein steiler, nordexponierter, Fichten-Lärchen-Zirbenwald in etwa 1.800 Metern Seehöhe. Die hohe Schneelage im Winter und die Schattenlage im Sommer führen dazu, dass die Alpenrosen hier nicht zur Blüte gelangen. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Art bei intensiver Nachsuche auch an ähnli-chen Stellen in den Nordalpen noch entdeckt werden kann, so im benachbarten Tirol und Vorarlberg. Da der Falter schwer zu finden sein dürfte und erst spät im Jahr fliegt und vermutlich auch im Falterstadium überwintert, ist die Suche nach den Raupen und Puppen jedenfalls vielversprechender. Die kleinklimati-sche Sondersituation des Schweizer Standortes lässt aber nicht erwarten, dass diese trotz 250 Jahren Schmetterlingsforschung bisher übersehene Art weit verbreitet ist. Im Gegenteil: Es steht zu befürchten, dass sie eines der ersten Opfer des Klimawandels sein könnte.

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